8. Norddeutscher Ernährungsgipfel: „Aufbruch in eine andere Denkweise – Bürokratie abbauen und regionale Lebensmittel-Marken stärken“
Datum: 22. Juli 2025

Warnemünde – Die norddeutsche Ernährungswirtschaft steht weiterhin unter massivem Druck – doch sie blickt auch nach vorn. Beim 8. Norddeutschen Ernährungsgipfel im Hotel Neptun in Rostock-Warnemünde treffen heute rund 180 Expertinnen und Experten zu-sammen, um unter dem Motto „Aufbruch in eine andere Denkweise – Bürokratie abbauen und regionale Lebensmittel-Marken stärken“ Wege aus der Krise und hin zu einer zukunfts-sicheren Branche zu diskutieren.
Organisiert von der Marketinggesellschaft der Agrar- und Ernährungswirtschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V. (AMV) und dem Agrarmarketingverband pro agro e.V. aus Brandenburg, steht der diesjährige Gipfel im Zeichen politischer Klarheit, strategischer Innovationen und eines konstruktiven Dialogs. Im Zentrum: Bürokratieabbau, Förderung regionaler Wertschöpfung sowie Stärkung regionaler Lebensmittelmarken und praxisnahe Digitalisierung.
„Der Norddeutsche Ernährungsgipfel zählt mittlerweile zu den wichtigsten überregionalen Branchentreffs und ist auch für die Brandenburger Unternehmen der Ernährungswirtschaft eine gute Gelegenheit zur Vernetzung und dem gegenseitigen Austausch“, erklärt die Brandenburger Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt. „In diesem Jahr steht der Ernährungsgipfel unter dem Motto ‚Aufbruch in eine neue Denkweise – Bürokratie abbauen und regionale Lebensmittel stärken‘. Beides hängt miteinander zusammen, gleichwohl der Handel hier eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. In Sachen Bürokratieabbau ist mein Ressort bereits vorangegangen und das Gesetz zur Vereinfachung von Verwaltungsabläufen im Landnutzungsbereich wurde in der letzten Woche im Landtag verabschiedet – ein erster Schritt, der deutlich macht, dass die neue Denkweise ein zentraler Bestandteil unserer Politik ist und dem weitere Schritte für eine Entbürokratisierung folgen werden.“
Branche unter Druck – Ergebnisse aus Mecklenburg-Vorpommern bestätigen Alarmstimmung
Die aktuelle Umfrage unter 70 Betrieben zeigt ein deutlich eingetrübtes Bild: Nur etwa ein Fünftel der Unternehmen bewertet die Geschäftslage 2025 als gut, über die Hälfte spricht von einer Verschlechterung gegenüber 2024. Hauptursachen sind Konsumzurückhaltung, hohe Kostenbelastung und politische Unsicherheiten.
Der Fachkräftemangel bleibt eines der größten Probleme. Besonders außerhalb urbaner Zen-tren erschweren fehlende Infrastruktur, geringe Mobilität und mangelnde Kinderbetreuung die Personalgewinnung. Viele offene Stellen bleiben unbesetzt.
Kostenexplosionen – insbesondere durch Energie, Mindestlohnerhöhungen und Bürokratie – treffen die Betriebe hart. 65 % der Unternehmen konnten gestiegene Kosten nur teilweise oder gar nicht an den Handel weitergeben. Die Auftragslage bleibt angespannt, insbesondere durch eine schwache Inlandsnachfrage.
„Unsere Unternehmen brauchen keine politischen Absichtserklärungen mehr, sondern konkrete, verlässliche Rahmenbedingungen, um weiterhin wirtschaftlich arbeiten zu können,“ erklärt Tobias Blömer, Vorsitzender des AMV. „Ohne deutliche Vereinfachung der Verwaltung, gezielte Fördermaßnahmen für KMU und den Schutz vor Importen mit geringeren Standards droht vielen Betrieben das Aus.“
Dorothee Berger, Vorsitzende des Brandenburger Argarmarketingverbandes pro agro dazu: „Bürokratieabbau ist hierbei nicht nur ein Schlagwort, sondern versetzt uns in die Lage, unsere eigentliche Arbeit zu verrichten. Eine der größten Herausforderungen hierbei ist das Vorantreiben von Automatisierung und Digitalisierung, die in den sich verändernden Märkten dringender, denn je geboten sind. Wir benötigen gezielte, wirklich abruf- und nutzbare Förderung sowie einen ganz grundsätzlichen Ausbau der digitalen und klassischen Infrastruktur an den Unternehmensstandorten. Das hilft dann auch, Regionalität zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen.“
Auch in Brandenburg wenig Grund zur Freude
Die Ergebnisse des pro-agro-Branchenbarometers zeigen auch in Brandenburg ein geteiltes, aber insgesamt eher trübes Bild: Bei 58 % der Unternehmen haben sich die Geschäftsaussichten für 2025 verändert – 61 % bewerten sie als schlechter oder deutlich schlechter, während 39 % eine Verbesserung feststellen.
Besonders beschäftigt die Unternehmen das Thema Mindestlohn: Eine Erhöhung auf 15 Euro würde bei der Hälfte der Betriebe zu monatlichen Personalkostensteigerungen bis 10.000 Euro führen, bei größeren Unternehmen bis zu 100.000 Euro. 52 % sehen keine Möglichkeit, diese Mehrkosten über Produktpreise zu kompensieren, 44 % können dies nur teil-weise. Statt geplanter Investitionen prüfen nun 61 % Automatisierungsmöglichkeiten, während 56 % Preiserhöhungen, 46 % Personalabbau und 25 % sogar Teilbereichsschließungen oder die Infragestellung des Fortbestands erwägen.
Große Erwartungen richten sich an die Bundesregierung, vor allem in Bezug auf die Reduzierung bürokratischer Lasten (81 %) und die Abschaffung von Übererfüllungen europäischer Vorgaben (51 %). Über 60 % fordern zu-dem, die Land- und Ernährungswirtschaft als systemrelevant einzuordnen. An der Befragung zur Jahresmitte 2025 beteiligten sich 85 Unternehmen aus Brandenburg, mehr als die Hälfte organisiert als GmbH, GbR, OHG oder KG.
Impulse aus Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis
Das Programm des Gipfels ist hochkarätig besetzt: In Vorträgen und Diskussionen geben unter anderem Marcel Winter (Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie), Prof. Dr. Dr. Thomas Roeb (Handelsexperte), Daniel Traub (STACKIT GmbH & Co. KG) sowie Eventprofi Günter Mainka und Kommunikationsexpertin Hannah Panidis Impulse zur Entbürokratisierung, Digitalisierung und Markenbildung. Besonders gefragt sind konkrete Lösungen für die Umsetzung im betrieblichen Alltag.
Ein politischer Höhepunkt ist die Podiumsdiskussion mit Staatssekretär Jochen Schulte (MV) und Landwirtschaftsministerin Hanka Mittelstädt (BRB) sowie führenden Unternehmern der Branche. Gemeinsam sollen Wege gefunden werden, um neue wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen – trotz Inflation, Fachkräftemangel und Ener-giekrise.
Dringender Appell: Politischer Kurswechsel notwendig
Die Stimmung in den Unternehmen ist aktuell nicht positiv geprägt. Kaum ein Betrieb erwartet kurzfristig Besserung. Politische Maßnahmen wie gezielte Transformationshilfen, die Berücksichtigung kleiner Betriebe in Förderprogrammen und ein umfassender Bürokratieabbau sind überfällig. Der Ernährungsgipfel 2025 zeigt: Die Branche will nicht klagen, sondern gestalten. Doch dafür braucht sie endlich die passenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – verlässlich, pragmatisch und zukunftsorientiert.
Branchendaten untermauern Bedeutung der Ernährungswirtschaft
In Mecklenburg-Vorpommern nimmt die Ernährungswirtschaft traditionell einen großen Stellenwert ein. Sie zeichnet sich durch eine große Zahl leistungsfähiger mittelständischer Unternehmen sowie ein qualitativ hochwertiges und vielfältiges Produktsortiment aus. Derzeit sind in den 88 Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeiter über 14.400 Mitarbeiter beschäftigt. Die Branche erwirtschaftete dabei einen Jahresumsatz von rund 4,5 Mrd. Euro.
Der Anteil der Ernährungsindustrie am Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes beträgt ca. 33 %. Nimmt man noch die Umsätze der Futtermittel- und Getränkeindustrie hinzu, würde der Umsatzanteil auf 36,8 % steigen. Die Ernährungswirtschaft ist damit innerhalb des verarbeitenden Gewerbes sowohl gemessen an der Zahl der Beschäftigten als auch nach dem Um-satz der größte Industriezweig in Mecklenburg-Vorpommern.
Doch nicht nur mittelständische Traditionsunternehmen prägen das Bild Mecklenburg-Vor-pommerns, sondern ebenso die enorme Vielzahl an Klein- und Kleinstunternehmen, welche statistisch nicht erfasst werden.
Aktuelle Zahlen zum Ernährungsgewerbe in Brandenburg
Der Verbrauchermarkt in der Region Brandenburg-Berlin mit 6 Mio. Verbrauchern bietet ein großes Potenzial für den Aufbau von Wertschöpfungsketten aus dem ländlichen Raum (Landwirtschaft, Direktvermarktung, Ernährungswirtschaft, Handel und Gastronomie) zu den Verbraucherzentren mit Berlin an der Spitze. Die Ernährungswirtschaft gehört zu den wesentlichen Wirtschaftszweigen. Für das Land Brandenburg ist die Branche mit 164 Betrieben, einem Jahresumsatz von 4,38 Mrd. € sowie 12.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten (in Betrieben ab 20 Mitarbeiter) eine herausragende regionalwirtschaftliche Größe.
Marketinggesellschaft der Agrar- und Ernährungswirtschaft Mecklenburg-Vorpommern e.V. (AMV)
Der AMV ist seit 25 Jahren das größte Netzwerk der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern – der umsatzstärksten Branche innerhalb des verarbeitenden Gewerbes im Bundesland. Unter seinem Dach vereint er sowohl konventionell als auch ökologisch arbeitende Betriebe aus Industrie und Handwerk. Aktuell zählt das Netzwerk 160 Partner: 92 Produzenten der Agrar- und Ernährungswirtschaft, 42 Fördermitglieder sowie 26 Kooperationspartner.
pro agro – Verband zur Förderung des ländlichen Raumes in der Region Brandenburg/Berlin e.V.
Der Verband pro agro als größtes Branchennetzwerk in Brandenburg/Berlin engagiert sich seit über 30 Jahren für die Vernetzung und Vermarktung von Brandenburger Angeboten und Dienstleistungen aus den Bereichen Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Land- und Naturtourismus – von Uckermark bis Lausitz, von Ernährungswirtschaft bis Direktvermarktung, konventionell und biologisch wirtschaftend. Derzeit gehören zum Verband 416 Mitglieder, 20 Förderer sowie rund 50 weitere Kooperationspartner. Die Mitglieder des pro agro e.V. generieren in Summe einen Jahresumsatz von ca. 2 Milliarden Euro.